Bedeutungen im Kontext der Physis

Die Begrifflichkeit der Bewegung kann man nach Wikipedia im “Physikalischen, in der Mathematik, in der Musik, in der Liguistik, in der Soziologie, in der Ortveränderung von Lebewesen, in der Bewegungsausrichtung von Lebewesen auf ein Ziel und in dem Bewegungsverhalten des Menschen beschreiben.”

https://de.wikipedia.org/wiki/Bewegung

“Als Bewegung im physikalischen Sinne versteht man die Änderung des Ortes eines Beobachtungsobjektes mit der Zeit.”

https://de.wikipedia.org/wiki/Bewegung_(Physik)

Die Kinematik als Lehre der Beschreibung von Bewegung
Die Dynamik (in der Technischen Mechanik: die Kinetik) als Lehre der Ursache von Bewegung
– Die Statik als Kräfte im Glechgewicht ruhender Körper
– Die Kinetik als Kräfte die den Bewegungszustand verändern

Fortbewegung bezeichnet ganz allgemein die Bewegung von Objekten mit dem Ziel bzw. mit dem Resultat der Ortsveränderung. Gemeint ist meist die Ortsveränderung aus eigener Kraft. Es ist also ein Phänomen Räumlicher Mobilität.

Im Kontext der Biologie bezeichnet Fortbewegung, hier auch Lokomotion genannt, ganz allgemein die aktive Bewegung biologischer Individuen (Lebewesen), welche eine Ortsveränderung zur Folge hat. Von der Lokomotion unterschieden wird sowohl die Motorik, die Bewegungsfähigkeit des Organismus in sich, (s.s. Lokomotorik) als auch die Taxis, die Orientierungsreaktion von Lebewesen.”

https://de.wikipedia.org/wiki/Fortbewegung

Motorik (von lateinisch motor, ,Beweger’, abgeleitet von movere, ,bewegen’, ,antreiben’; und grieschich motorikè téchne, ,Bewegungstechnik’, , Bewegungsfertigkeit’, ,Bewegungskunst’, , Bewegungswissenschaft’, ,Bewegungslehre’) bezeichnet

– Die Gesamtheit der Aktion der Skelettmuskulatur
– Die Qualität hochrangiger Bewegungsfertigkeit (Artistik)
– Einen Wissenschaftszweig von der Bewegung (Bewegungs- und Motorikwissenschaft) 
– In der Musik die Kennzeichnung eines durchgehenden, pulsierende Rythmus (à Motorik (Musik)).”

https://de.wikipedia.org/wiki/Motorik

“Eine Taxis (altgriechisch τάξις táxis „Ordnung“, „Ausrichtung“) ist eine Orientierungsreaktion von Lebewesen, das heißt ihre Ausrichtung nach einem Reiz oder einem Umweltfaktor (beispielsweise Temperatur, Konzentration eines Stoffes, Beleuchtungsstärke). Taxien treten bei freibeweglichen Mikoorganismen, Tieren und Pflanzen auf.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Taxis 

“Die körperliche Aktivität bezeichnet die physische Bewegung eines Menschen, die er selbst ausführt. Grundsätzlich können alle körperlichen Bewegungen, die einen Verbrauch von Energie zur Folge haben, als körperliche Aktivität bezeichnet werden, wie z.B. Routinetätigkeiten im Haushalt, beim Einkauf oder während der Arbeitens.
Die körperliche Aktivität unterscheidet sich hinsichtlich der Komplexität, Ausführungspräzision, Kraft und Schnelligkeit. Die körperliche Aktivität besteht aus Basisaktivtäten, d. h. einzelnen, nicht weiter trennbaren Bewegungen sowie aus zusammengesetzten, komplexeren Bewegungsabläufen. Man unterscheidet auf Basis des Energieumsatz beim Menschen die körperliche Aktivität in leichte, moderate sowie schwere körperliche Aktivität.“

Relevante Aktivitätsklassen

Betrachtet man die Bewegungsformen, d. h. Aktivitätsklassen, die der Mensch im Alltag am häufigsten ausführt, so sind nur wenige Bewegungsformen relevant.

Man unterscheidet zwischen Spontanaktivität, welches das Aufrechterhalten der Körperhaltung sichert, sowie der fakultativen körperlichen Aktivität. Die falkulative Aktivität beschreibt im Gegensatz zur Spontanaktivität die willentlichte Körperbewegungen.

Der Bewegungsalltag bei Kindern besteht aus neun Stunden Liegen, neun Stunden Sitzen, fünf Stunden Stehen und einer Stunde Bewegung. Der Bewegungszeitraum setzt sich jedoch nur aus 15–30 Minuten körperlicher Aktivität mit hoher Aktivität zusammen. Für das 24-Stunden-Profil der körperlichen Aktivitäten sind demnach Bewegungsformen wie Schlafen, sitzende Tätigkeiten, Stehen, Gehen, Laufen, Radfahren, Treppenlaufen, Haus- oder Gartenarbeit sowie passive Bewegungsformen wie Auto-/Zugfahren, Flugreisen sowie diverse Sportaktivitäten im Tagesverlauf interessant.“

“Es liegt in deinem Interesse einen Weg zu finden sehr zart zu sein.” | Trueisms, Jenny Holzer

Die Bewegung ist omnipresent. Sie ist Spielraum der unendlichen Möglichkeiten. Formen und Körper können sich vieler Bewegungsmöglichkeiten im Raum und Zeit bedienen oder es sein lassen. Ein Mensch hat in jedem Moment Bewegungsmöglichkeiten zur Verfügung. Möglichkeiten müssen zuerst wahrgenommen werden; daraufhin kann man diese Bewegungsmöglichkeiten nutzen. Möglichkeiten zu erfahren erfordert Zeit, Raum, Erfahrung, Wissen, Flexibilität und Kreativität.

Die Möglichkeiten meines Körpers beeinflussen meine Gedanken.
Die Möglichkeiten meiner Gedanken beeinflussen meinen Körper.

‚Eigenleben Bewegung‘ versucht eine Analogie zwischen Körper und Gedanken als Möglichkeiten in plastischen Formationen zu sehen und aufzubauen. Hierbei sollen Bewegungen (Bewegungsformen) Gedanken (Gedankenformen) bereichern und umgekehrt. 

Bewegungsmöglichkeiten innerhalb des Physis bedeutet in diesem Sinne alle bewegungsorientierten Abläufe, die durch Kulturen hervorgerufen wurden, entstehen und noch nicht entstanden sind. Der Grad eines (Körper-)Wissens, seiner:ihrer Stärken und Schwächen, seiner:ihrer Flexibilität (Dehnung) und seiner:ihrer Kreativität (Bewegungsschöpfung) enthalten Möglichkeiten vor.

Bewegungsmöglichkeiten innerhalb des Geistes bedeutet in diesem Sinne alle Gedankengänge (Gedankenkonstrukte) und die dazugehörigen Wirkungen, die durch Formen gedacht wurden und gedacht werden. Synapsen entstehen und vergehen, bewegen sich aufeinander zu und distanzieren sich.

“Die Bewegung des alltäglichen Lebens sind uns oft so vertraut, dass wir sie kaum noch bewusst wahrnehmen.” Diese Bewegungen sind Möglichkeiten innerhalb eines Kontexts (Alltag), welche auf weitere Möglichkeiten hinweisen. “In meiner Arbeit ist der Versuch die scheinbar vertrauten Bewegungen unvertraut (Im umgekehrten Kontext: und die unvertrauten Bewegungen vertraut) zu machen durch Repetition und Verfremdung mit der Frage: Wer beherrscht hier eigentlich wen?” Ausstellung ?

Ein Grund, sich praktisch und theoretisch mit dem Begriff der Bewegung auseinanderzusetzen, bedeutet Möglichkeiten zu sehen.

Wenn eine Bewegungsmöglichkeit in ihrer Ausführung durch Wiederholung zur Vereinheitlichung gebracht wird, entwickelt diese ein Eigenleben. Die Benennung oder die Begrifflichkeit einer Bewegungsmöglichkeit wird erst dann garantiert, wenn Sie in sich rund, vollkommen und eigenständig ist/ sein darf.

Das Bewegungspotential als Inspirationsquelle zur Nutzung von Bewegungsmöglichkeiten – Ein mögliches Prinzip vom Geben und Nehmen.

Aus dem vorigen Fragment “Sinn der Bewegung” will ich die “Angst vor der Isolation; keine sozialen Kontakte zu haben” aufgreifen und hier weiterführen im Zusammenhang von einem Austausch von Bewegungs- und Körperwissen. Mir geht es um ein grundlegendes Verständnis von einem sozialen Umfeld und die durch einer Beziehung eingehenden Möglichkeiten. Ich werde hier ein Verständnis der Begrifflichkeit eines “Bewegungspotentials” definieren. Der Begriff der „Bewegungsmöglichkeit“ wird hier im analogischen Verständnis zwischen Körper und Geist gebraucht.

Ein Mensch kann inspirieren und hemmen; er:sie kann etwas Geben und Nehmen; er:sie kann sich nähern und distanzieren. Hier versuche ich eine Grenze zu erläutern, welche dies beschreibt. Dies kann in Beziehungen komplexer geschehen als hier beschrieben, da eine Beziehung von einem Zusammenkommen über einen Spielraum von Zeit beschreibt. Mir geht es hier um ein Grundverständnis von Erwartungen beim Geben und Nehmen in einer Beziehung.

Jeder Mensch hat ein Bewegungspotential (Vermögenspotential oder Inspirationsquelle), welches seine Erfahrung, sein angeeignetes Wissen und seine Menschlichkeit (in Betracht dieser Arbeit: „Bewegungsmöglichkeiten“) beschreibt. Er hat die Möglichkeit, es zu nutzen und mit anderen bewegend zu teilen. Dieses Bewegungspotenial bezieht er von seiner Geschichte, seiner Familie, seiner Erziehung, seiner Umgebung, seinen Mitmenschen, seiner Fantasie, seinen Vorstellungen, seinen Werten, Normen, Idealen und seinem Glauben.

Ein Zeitraum, in der man eine Beziehung mit einem Menschen eingeht, schafft Erwartungen. Selbst wenn diese Erwartungen nur dem Überleben dienen. Man möchte geben und nehmen. Man möchte teilen und füreinander da sein. Man möchte sich erfahren; selbst wenn man danach weiß, dass man sich so nicht bewegen will.

In einer bestehenden Beziehung zweier Individuen wird mit der Zeit dieses Bewegungspotential immer geringer, da beide voneinander beziehen (von ihren Bewegungen beziehen) und ihr Potential aufbrauchen. Die Zeit kann schneller vergehen, als dass es das neue Bewegungspotential aufzubauen vermag. Der in beider Sicht in beziehung-stehender Mensch wird uninteressanter mit der Zeit und kann nicht mehr als Inspirationsquelle dienen. Damit ein solcher Mensch wieder als Inspirationsquelle dienen kann, braucht es Zeit, damit beide Menschen sich anderen Inspirationsquellen widmen, um sich mit dem neugewonnenen Bewegungspotential wieder gegenseitig neu zu inspirieren.

Was ist nach diesem Verständnis ein inspirierender Mensch? Was ist ein Mensch mit Bewegungspotential?

Er:Sie ist ein Mensch mit abwechslungsreichen Formen. Eine Neugierde und Offenheit für Bewegungsmöglichkeiten ist bei ihm:ihr unerlässlich.

In dem man seinen Körper als eine Haut-peripherie betrachtet, in dem Bewegung stattfindet und seine Körperteile in Relation zueinander als Räumlichkeiten auffasst, ist die Sichtweise seines Körpers als Raum plausibel; eine räumlich, begrenzende und durchlässige Oberfläche, in der Bewegung passiert.

Meine Hand nimmt in jeden Moment Raum ein.
Meine Arme nehmen in jeden Moment Raum ein.
Meine Schultern nehmen in jeden Moment Raum ein.
Meine Brust nimmt in jeden Moment Raum ein.

Diese Räume bewegen sich von selbst, in dem sie Raum einnehmen.

In diesem Fragment geht es mir um ein Verständnis, den Körper als Raum zu seinem äußeren Raum und seinen möglichen Bewegungen innerhalb dessen zu betrachten. Eine Bewegungsmuster, welches durch Ausführung in jedem Moment eine Position im Raum und Zeit einnimmt und eine Form repräsentiert, enthält somit bedingungslose Körperhaltungen.

“Das betrifft sowohl die Form des Körpers (statisch) als auch den Weg, den er im Raum beschreibt (dynamisch)”, wobei der dynamische Prozess als eine Abfolge vieler statischer Körper verstanden werden kann. 

| Bewegung erinnern; S. 60 

Man könnte diese Definition mit den Asanas im Yoga vergleichen, die einen konkreten Inhalt beschreiben. Ein weiteres Synonym für die Begrifflichkeit der bedingungslosen Körperhaltung ist eine Körperstellung, Positur und Attitüde.

Mit der Definition der bedingungslosen Körperhaltung geht es mir darum, alle mögliche Körperpositionen, von unedlichen Vorstellungen der räumlichen Orientierung seines Körpers im Raum und Zeit, sensibel zu kultivieren. Hierbei spielt die visuelle und fühlende Vorstellung eine große Rolle, in der man die Positionierung und Orientierung im Raum in seiner Ästhetik sehen und fühlen kann.

Abweichung von einer aufrechten Körperhaltung

Eine gesunde aufrechte Körperhaltung wird im Leben als erstrebenswert empfunden, Sie dient hierbei als eine Ausgangsposition des menschlichen Körpers im Raum. Sie ist Phänomen der Evolution und Natur. Man nimmt nahezu die meiste Zeit seines Lebens eine Körperposition ein, welche tendenziell näher an die, der aufrechten Körperhaltung orientiert ist. Die aufrechte Körperhaltung ist relativ symmetrisch und der Körperfluss ist im Einklang. Das Schlafen, Gehen und Stehen des menschlichen Körpers orientiert sich an der aufrechten Körperhaltung. Sie beschreibt eine für richtig empfundene Relation der Körperteile zueinander. Desweiteren ist die aufrechte Körperhaltung eine Position, in der man das Subjekt oder Objekt am besten als menschlichen Körper einordnen kann (am Bsp. einer Silhouette).

Die äußere Gestalt eines menschlichen Körpers, innerhalb seines aufrechten Standes, ist in seiner Silhouette an einen Wiedererkennungswert gekoppelt. Wir schreiben einer solchen Form einem Menschen zu. Die Form eines menschlich, erkennbaren Körpers ist somit „eingeschränkt“ und an die Bedingungen geknüpft, wie dieser Körper in seinen Ausprägungsgrad aussehen kann und soll.

Bei einer Bedingungslosen Körperhaltung kann die Form (äußere Gestalt) sich abstrahieren bis in das Unendliche. Sie ist an keinerlei Bedingungen geknüpft und Sie ist uneingeschränkt.

Definition “bedingungslose Körperhaltung”

Alle Körperhaltungen, die von der aufrechten Körperhaltung im kleinsten abweichen, sind eine “bedingungslose Körperhaltung”. Sie ist eine Körperhaltung mit unendlich vielen Positionierungsmöglichkeiten im Raum und Zeit mit unterschiedlichen Ausprägungsgrad innerhalb der Abweichung von der aufrechten Körperhaltung.

Jede Ausführung einer Bewegungsmöglichkeit sind Momente unendlicher bedingungsloser Körperhaltungen. Somit sind die Vorstellungen, der Fantasie und Orientierung der bedingungslosen Körperhaltungen keine Grenzen gesetzt und können bis in das Absurde getrieben werden (Reichhaltigkeit seiner Vorstellungen und seiner Umsetzungen).

Eine bedingungslose Körperhaltung ist somit eine Möglichkeit einer Körperposition im Raum. Um dies zu ermöglichen erfordert diese Haltung eine räumliche Vorstellung seines Körpers im Raum, welche eine gewisse Gestalt für seine Stimmigkeit folgt. Dieser Prozess erfordert kognitive Orientierungsfähigkeit seiner Körperteile in Relation zueinander.

Eine Annahme:

Die Einnahme reichhaltiger bedingungsloser Körperhaltungen im Raum und Zeit und wirken sich positiv auf die der aufrechte Körperhaltung und seinem Habitus ein.

“Bewegung als ästhetische Erfahrung von Phänomenen, die Bewegende und Rezipienten stets auf ihre phänomenale Leiblichkeit verweist.” 

|
Ästhetik des Tanzes: Zur Anthropologie des tanzenden Körpers, Malda Denana

Jeder Mensch hat Leibeigenschaften. Diese Leibeigenschaften beziehen sich darauf welche bedingungslosen Körperhaltungen für ein Individuum gemacht sind und welche nicht. Das bedeutet, dass jeder Körper für bestimmte Bewegungen mehr oder weniger gemacht ist auf Grund seiner individuellen Anatomie. Jede Bewegungen sind für bestimmte Körper mehr oder weniger vorenthalten. Die Bewegung wird zeigen welche Körper sich wie bewegen, wobei das ein Verweis auf die phänomenale Leiblichkeit und dem Eigenleben der Bewegung ist. Somit kann jeder in seiner Physis seine Qualitäten seiner Bewegungen herausfinden und lernt dabei seinen Körper kennen. Es ist ein Suchen und Finden seiner bedingungslosen Körperhaltungen und ein durch Wiederholung entstehendes individuelles Gut für sein Wohlbefinden in seinem Körper. Sich damit abzufinden was sein eigener Körper vermag und wo es sich lohnt an ihm zu formen, ist ein Prozess, wobei Vernunft von viel Bedeutung ist, um seinen Körper nicht zu schaden. Ihn zu verstehen und in gesunder Relation zu setzen zu seinen Mitkörpern ist eine Voraussetzung für ein verkörpertes Individuum. Jeder Körper hat Mängel und jeder Körper hat Perfektion. Diese zwei Gegensätze muss man beachten, verstehen, um vielleicht auch Wege finden seinen körperlichen Mängeln Ausdruck zu verleihen (z.B. durch Ironie).

Die bewussten Vorstellungen der bedingungslosen Körperhaltungen lassen einen Körper facettenreich formen und begünstigen Abwechslung. Hierbei gehen letztendlich aufrechte und bedingungslose Körperhaltung ineinander über und sollen als ein Spielraum von Möglichkeiten verstanden werden. Ein bewusstes Entscheidungsvermögen zu entwickeln für seine körperliche Wahrnehmung im Raum durch die zwei begrifflich dargestellten Ausgangspunkte der aufrechten Körperhaltung und der bedingungslosen Körperhaltung sind die Absicht hinter dieser Definition und seiner Vertiefung.

 

Innerhalb des Performance-, Recherche-, und Workshop-Format „people doing moves“ und der Recherche „Eigenleben Bewegung“ ist eine ACT NOW Liste entstanden, welche Aufgaben formuliert zur Bewegungsfindung.

„Es ist das Suchen, das Experimentieren und das Finden dem Unbekannten seines Selbst eine Form zu geben.“

In den vorigem Fragment habe ich festgehalten, dass Bewegungsmöglichkeiten als kulturelles Gut von jedem Menschen anders nachgeahmt, gelernt, wiederholt und kreiert werden. Diese Ansätze gehen darauf zurück, dass jeder einzigartig denkt und eine individuelle Anatomie besitzt.

Es sind viele Bewegungskulturen und -kategorien vorhanden, an denen man sich bedienen kann durch Nachahmung. Dies hängt davon ab, wie aktiv ich mich zu einer Bewegungskultur verhalte. Innerhalb dieser Kulturen und Kategorien gibt es Zwischenzustände in Form von Bewegungsspielraum, welche Möglichkeiten vorenthalten.

Diesen Abschnitt möchte ich der Schöpfung von Bewegungsformen widmen und einigen möglichen Methoden dazu. Dieser Prozess ist komplex, da zu einer bewegungsorientierten Kultur eine Räumlichkeit, eine Kleidung, Geräusche, ein Befinden, eine Beschränkung, eine Sprache, Gegenstände und ein Kontext in Bezug stehen kann. Ich werde hier lediglich eine grobe Übersicht meiner Einsichten beschreiben.

„Die Bestandteile einer Bewegung können in klare Phrasen unterteilt werden, die die Bewegungsausführung deutlich zu verbessern hilft. Je besser eine Bewegung mit dem Verstand erfasst wird, desto besser ist auch ihre Ausführung, so das Ergebnis der Studie. In ihr kann ein Beleg für die Relevanz bewussten Wissens bei der Ausführung körperlich gelernter Gedächtnisinhalte gesehen werden.“

| Bewegung erinnern; S. 59

Entscheidend für mein Empfinden ist es sich zu beschränken, wobei das eine die Bereicherung mit einschließt. Ich kann den nackten Körper als eine Bereicherung innerhalb eines Schöpfungsprozesses sehen, in einem anderen Moment jedoch auch als Beschränkung, da z.B. weite Kleidung einem ein ganz anderes Körpergefühl gibt, in der ich mich anders bewegend erfahre. Die Bekleidung trägt dazu bei wie ich mich bewege. Hierbei erhalten Bewegungsschleifen, je nach Erfordernissen und Umständen, eine spezifische Qualität.

Um mein Anliegen verständlich zu machen, gehe ich in diesem Kontext von einem Motiv aus, in dem ich mich facettenreich erfahren will und alle Bewegungsmöglichkeiten, welche von meinem Körper erfahrbar werden können, lernen und kreieren will.

Wenn ich mit einem solchen Motiv an ein Körperwissen gehe, bedeutet das, dass eine Stilrichtung im Tanz eine Einschränkung bedeutet. Ich kann somit beginnen, mich von vorhandenen Bewegungsgrundlagen (Basics) zu bedienen, um somit qualitative Erfahrungen innerhalb eines Rahmens zu erleben. Hiermit will ich festhalten, dass der Begriff der “Beschränkung” eine Voraussetzung ist, um neue Bewegungsformen zu suchen, zu finden und zu lernen. Somit kann dies als ein Leitfaden dienen für Methoden und ist gleichzeitig eine Bereicherung für neue Ansätze der Bewegungen. Methoden werden in diesem Kontext als ein Verständnis einer Einschränkung und Limitierung verstanden. Man begrenzt sich in seinen Möglichkeiten, wobei diese Grenze in der Zeit dynamisch bleibt. Durch das Beschränken und der Eingrenzung innerhalb seiner Möglichkeiten von sich selbst, entsteht Emanzipation und Freiheit.

“Der Schöpfungsprozess wird begünstigt durch Grenzen, Beschränkungen und Regeln. Es entsteht kreativer Freiraum.”

| Ido Portal

Bevor ich mich einigen Methoden widmen werde, will ich noch grundlegendes Verständnis von Möglichkeiten und deren Findung festhalten.

Vorhandene und entstehende Bewegungsmöglichkeiten sind mit einer Bedeutung und einem Zeichen beladen. Das Zeichen weist daraufhin, dass weitere Bedeutungen und Zeichen möglich sind, welches eine funktionale Bedeutung hat. Der Körper wird somit eine Plastik von unendlichen Möglichkeiten der Bedeutungen, Zeichen und Bewegungsfantasien. Bewegungen können in ihrem Ausdruck bis in die kleinste Geste oder Mimik getrieben werden. Hierbei gilt: Welches Körperteil ich in einer qualitativen Bewegungsausführung „nicht bewege“, keinen Fokus, keiner Beachtung und keinen Ausdruck gebe, ist eine weitere Möglichkeit in seinem Bewegungsspielraum für eine Bewegungsfindung und somit einer neuen Ausdrucksform.

„Weil es dieses gibt, entsteht jenes.“

| Buddha im Sutra vom Reiskeimling

Bei der Bewegungsfindung muss man sich bewusst machen, dass jede mögliche, noch-nicht-gefundene, bedingungslose Körperhaltung in kausaler Abhängigkeit zu existierenden Körperhaltungen steht. Man geht der Frage nach, was zwischen den klassifizierten, kategorisierten Bewegungen passiert und was von einer Bewegung innerhalb seines Kontextes zu erwarten ist.

Man kann das Lernen von Bewegungen in drei Zonen einteilen, wobei ich in einem Interview auf youtube von Ido Portal zitiere.

„Zone I ist wenn dir ein neues Konzept vorgestellt wird. Du kennst es nicht und kannst es nicht ausführen. Hiermit sind die besten Gegebenheiten um Möglichkeiten zu erproben und einen größten Lerneffekt zu haben. Schau immer das Zone I immer vorhanden ist.“

„Ein dauerhaftes Lernen macht den Lehrer zum Schüler.“
Ido Portal

Innerhalb einer Einschränkung (eines “Konzepts”) kann man METHODEN formulieren. Erwünschte Methoden hängen von der Zielsetzung ab und sind somit vom Kontext abhängig. Will ich eine ernste, humorvolle oder absurde Bewegung hervorrufen?

1. Methode: Eine bedingungslose Körperhaltung

Dieser Ansatz beschreibt den Fokus auf der Suche nach bedingungslosen Körperhaltungen. Es gilt, diese im Gleichgewicht halten zu können über einen gewissen Zeitraum und sich seiner Orientierung bewusst zu machen. Es existieren viele Körperhaltungen in bewegungsorientierten Kulturen. Diese verbergen viel ungenutzten Spielraum innerhalb ihrer Körperteile zueinander.

In Betracht der Beziehung einer Körperhaltung im Gleichgewicht zum Boden kann es interessant sein, auf die Kontaktflächen zu achten. Hier wird der Fokus auf einen spielerischen Umgang, innerhalb seiner Möglichkeiten im Körperkontakt zum Boden, ausgerichtet. Es kommt darauf an, spezifische, gegensätzliche oder absurde (Kontext) Berührungsstellen zu finden, auf denen es möglich ist, seinen Körper auf dem Boden im Gleichgewicht zu balancieren.

2. Methode: Eine Relation zwischen zwei Bewegungsformen

Diese Methode probiert zu imaginieren, wie eine mögliche Bewegungsform innerhalb zweier Kategorien auszusehen vermag. Es wird nach Erwartungen innerhalb eines Kontextes vorgestellt. Diese Vermischung zweier unterschiedlicher bewegungsorientierter Kulturen kann unterschiedliche Bewegungen hervorrufen.

3. Methode: Eine Verfremdung von Alltagshandlungen durch  Wiederholung

In dieser Methode ist der Fokus seine Inspiration aus dem Alltag zu finden. Hier untersucht man Bewegungen und Handlungen, welche eine interessante Intention und Wirkung aufzeigen. Durch das wiederholte Ausführen ohne seine eigentliche Zielsetzung, wird die Bewegung absurder und man findet Wege diese zu verfremden.

4. Methode: Begriffe verkörpern

Nomen, Verben und Adjektive können alle einen Ausdruck des Verkörperten haben. Begriffe können als Beschränkung dienen, wodurch qualitative Bewegungsformen erfahrbar werden innerhalb eines Kontextes. Hierbei kann der Körper als Medium zur Darstellung von Handlungen und Gegenständen werden. Der Körper wird instrumentalisiert, wodurch man sich in die Form und das Sein von Begriffen hineinversetzt. Der Begriff stellt Artefakte der Bewegung her, durch die Instrumentalisierung seines Körpers.

Innerhalb gewisser Verben und Adjektive kann man besoders gut Bewegungsformen finden, welche spielerisch von den Körperteilen in Relation zueinander kausal gut umgesetzt werden können. Hier eine Auflistung einiger Begriffe.

magnetisch
streichen
streicheln
kleben
weiterleiten
schubsen
winkeln
linieren
pusten
ziehen
drehen
zupfen
wedeln

5. Methode: Der Körper mit seiner Orientierung und Ausrichtung als Raum im äußeren Raum

Bei dieser Methode will ich den Körper als ein drei-dimensionales Koordinatensystem (-raum) verstehen, wobei jedes Körperteil einen Vektor bestimmt. Anhand der Ausrichtung verschiedener Körperteile in konkrete Punkte im Raum entstehen Geraden, Winkel und Kreise.

6. Methode: Körperteile ahmen Körperteile nach

In den Möglichkeiten der beweglichen Körperteile und die Betrachtung einer Paralle derer zueinander, kann man Bewegungen verfremden. Hierbei kann ein Körperteil ein Anderes nachahmen, wodurch eine Synchronität innerhalb der Körperteile entsteht.

Gerade die Arme und Beine können hierbei in den Fokus genommen werden, da sie anatomisch und vom Bewegungsspielraum ähnlich aufgebaut sind und wir insgesamt vier davon besitzen.

7. Methode: Kausalität innerhalb seiner Körperteile

Diese Methode versteht die Bewegung als eine Kettenreaktion. Es entstehen kausale Beziehungen verschiedener Körperteile zueinander. Die Ausführung solcher Bewegungen kann in einzelne Bewegungen gegliedert werden, wobei die Ausführung einer gegliederten Bewegung die Ursache der nächsten Aktion ist. Die nächste gegliederte Bewegung ist Wirkung und Ursache gleichzeitig, da sie sowohl bewegt wird, als auch die nächste Aktion einleitet. 

Du wirst in eine Form geboren.
Du führst zweckvolle Bewegungen aus um zu überleben.
Du kommst in ein Alter, in dem ich ein Gefühl für das Absurde entwickel.
Du hast Momente, in denen mir mein Leben absurd erscheint.
Du trennst zweckvolle Bewegungsmuster von zwecklosen.
Du hinterfragst diese Grenze der Absurdität.
Du führst bewusst zwecklose Bewegungen aus.

Ein Leben kann aus Momenten bestehen, in dem man sein Leben innerhalb der Gesellschaft, Normen und Werte als absurd empfinden kann. Dieses Fragment schneidet ein Versuch an, solche Momente zu hinterfragen nach deren Bedeutung innerhalb körperlicher Bewegungen. Um konkret zu bleiben, möchte ich eine Frage nach der Grenze von zweckvollen und zweckfreien Bewegungen widmen und wieso es zweckvoll sein kann absurd-erscheinende Bewegungen auszuführen. Hierbei spielt die Intension eine Rolle auf der Suche nach einer Antwort für die Frage:

“Wann wird die Bewegung mir nützlich sein?” | Ido Portal

Erfahrungen in Zusammenarbeit mit meinen Kollektiven haben gezeigt, dass ein/e große/s Interesse und Wertigkeit für absurde Bewegungsformen und Szenarien besteht. Diese Momente waren im Nachhinein niemals ganz rational fassbar für uns, jedoch mit einem Lächeln im Gesicht und Begeisterung. Der Name eines meiner Kollektive „Hä*Wie!?“ beschreibt das Interesse an der Absurdität.

Etwas Nichtgreifbares kann man rational nicht fassen und beschreiben. Mit der Zeit hält dies hoffentlich durch unterbewusstes Verarbeiten Einblicke bereit.

Es gibt zweckvolle Bewegungen, welche dem Überleben dienen. Es gibt zweckfreie Bewegungen, welche absurd erscheinen, keine zielgerichtete Absicht verfolgen, aber als Bewegungsmöglichkeit vorhanden sind. Es gibt eine mögliche dynamische Grenze, die zweckvolle und zweckfreie Bewegungen beschreibt.

Absurdität ist nach Wikipedia „ein außergewöhnliches, abstruses, der Logik widersprechendes oder seltsames Vorkommnis oder Phänomen, dem der Verstand des Einzelnen entgegen seiner Gewohnheit keinen Sinn, keine Bedeutung zu verleihen mag. Absurdität (Misstönend, ungereimt, unfähig, ungeschickt, Aberwitz, Irrwitz) bezeichnet etwas Widersinniges oder Unsinniges.“

Rationales Denken ist ein vernunftgeleitetes und an Zwecken ausgerichtetes Denken, welches durch wahrnehmbare, physische Gegebenheiten „begrenzt“ ist. Diese physischen Gegebenheiten verändern sich mit der Zeit durch neugestaltete Räumlichkeiten und Errungenschaften. Bewegung ist Grundvoraussetzung zum Überleben. Ein Mensch „muss“ gehen, trinken, essen, ausscheiden und sich fortpflanzen. Zweck-gebundene Bewegungen sind begrenzt und an lebenserhaltene Handlungen gebunden. Absurdes Denken hebt die Grenzen der Vernunft auf und bietet nahezu unendliche Möglichkeiten. Diese Aussage enthält viele zweckfreie Bewegungsmöglichkeiten vor.

Ich will im folgenden drei Arten von Bewegungsmöglichkeiten definieren:

  1. Die Bewegung dient in dem Moment der Ausführung einen folgegerichteten Zweck (z.B. zum Überleben).

  2. Die Bewegung dient in dem Moment der Ausführung keinem folgegerichteten Zweck, kann jedoch Bewegungen unterstützen, welche einen Zweck verfolgen (funktionelle Bewegungsabläufe). Sie wird im Kontext des zeitlichen Raumes zweckvoll sein.

  3. Die Bewegung dient in dem Moment der Ausführung keinem folgegerichteten Zweck. Sie ist zweckfrei und steht in ihrer Selbstbezüglichkeit.

Punkt drei beschreibt, dass eine Bewegung in ihrer Selbstbezüglichkeit existieren kann, was ein Eigenleben beschreiben könnte. In Betracht dieser Bemerkungen wäre es vielleicht interessant, die Grenze von zweckvollen und zweckfreien Bewegungen als eine dynamische Grenze festzulegen, die jedes Individuum anders fällt. Das Absurde ist in diesem Sinne formbar, in der gewisse Irrationalitäten verständlicher werden und auf einen möglichen Zweck hinauswollen, welcher mit einer Bedeutung beladen ist

“Wenn reine Bewegung und der künstlerische Tanz als selbstbezügliche Ausdrucks- und Darstellungspraxis agieren, werden anthropologische Grundstruckturen sichtbar gemacht und intensiviert.” 

| Ästhetik des Tanzes; Zur Anthropologie des tanzenden Körpers; Malda Denana; Tanz Scripte

Jede Kultur hat Musik, Tanz, Malerei und eine Eigenart von Bewegungen, die zum Überleben dienen. Der Mensch empfindet Identität, innerhalb seiner für richtig empfundenen Urspünglichkeit, welche aus seiner Vergangenheit und Geschichte hervorgeht. Diese Ursprünglichkeit leite ich jetzt von der Räumlichkeit, der Umgebung, dem Klima, dem Licht, dem Wetter, etc. in ihrer zeitlichen Abfolge ab. Bewegung entsteht mit diesem Ansatz von der Form der Umgebung. Das Eigenleben steckt in jeder möglichen Form. Durch die Relativität der Zeit ist alles in Bewegung.

In Bezug der Begrifflichkeit „Absurdität“ findet man interessante Ansätze von Albert Camus zur Philosphie der Absurdität. Ich will hier ein paar Überlegungen von ihm auf die körperliche Bewegung übertragen.

„Es gibt nur ein wirklich ernstes philosophisches Problem: den Selbstmord. Sich entscheiden, ob das Leben es wert ist, gelebt zu werden oder nicht, heisst auf die Grundfrage der Philosophie antworten.“

Als Mensch kann man sich den Tod vorstellen und ihn bewegend umsetzen. Es ist somit ein erfahrbarer Moment des Absurden. Dies könnte ein Verweis darauf sein, dass absurde Bewegungsmöglichkeiten auf den Tod verweisen und somit auf nicht-menschliches Leben. Der Körper dient dem Geist als Instrument und versetzt den Ausführenden in eine Distanz zu seinem Körper und seiner Umwelt.

„Das Absurde ist für Camus das Gefühl der Fremdheit des Menschen in der Welt, das Hin- und Hergerissenwerden zwischen menschlicher „Hoffnung“ und „Todesgewissheit“.“

„Die Entdeckung der Freiheit durch wahrnehmen des Absurden. Die allumfassende Gleichgültigkeit ist für Camus weder ein Grund zu verzweifeln, noch in Illusionen zu flüchten oder gar Selbstmord zu begehen. Im Gegenteil: Wir sollten unser Dasein in all seinen Zügen auskosten und das Hier und Jetzt möglichst intensiv leben. Das Bewusstsein der Absurdität ist zugleich eine Entdeckung unserer Freiheit. Wir erkennen, dass wir nichts zu verlieren haben. Regeln, Pflichten, Pläne und Sorgen werden bedeutungslos. Sie wirken beliebig – wie alles andere. Wir allein bestimmen, wo es lang geht. Wir nehmen unser Schicksal endlich in die eigene Hand. Und das fühlt sich verdammt gut an. Hier ist Camus ganz Existenzialist. Und er lehnt sich immer wieder gegen sein absurdes Schicksal auf: «Es gibt kein Schicksal, das durch Verachtung nicht überwunden werden kann», schreibt Camus. In dieser revoltierenden Haltung bestehe «die einzige Würde des Menschen».“

Dieser Abschnitt könnte in Bezug zur Auseinandersetzung mit absurden Bewegungsmöglichkeiten eine Revolte beschreiben, wobei das Ausführen absurder Bewegungen, mit der Annahme einer Indentitätsbildung, durch unterbewusste Verarbeitung in der Zeit Veränderung zulässt und neue Ansätze zum Leben bereithält.

„Zugleich ist die Revolte das Fundament von Camus’ gefühlsbasierter Ethik der Menschlichkeit: Die Empörung angesichts von Unmenschlichkeit und Leid führe den Menschen aus der Einsamkeit heraus zur Solidarität mit seinen Mitmenschen. In der Revolte werde der Mensch vom «solitaire» zum «solidaire» und kämpfe für etwas, das ihn mit allen Menschen verbindet – die menschliche Würde.“

Leid entsteht durch den Misserfolg von Kommunikation. Wenn man in diesem Sinne Bewegungsformen als Sprache auffasst und diese eine weitreichende, offenen Kommunikationsbasis schafft, bietet dies weniger Missverständnisse. Dies wäre eine Bestätigung dafür, dass vielseitige Bewegung eine Grundlage für die Bildung von Identitäten schafft und ein Mitgefühl für die menschliche Würde entwickelt.

„Camus möchte einfach zu einer Lebenshaltung aufrufen, die „wach“ und sich der menschlichen Lebensbedingungen „bewusst“ ist. Wie schon bei den Vorsokratikern ist auch bei Camus der Mensch das „Maß aller Dinge“ – er fordert den Menschen auf, „innerhalb seiner Möglichkeiten“ das „richtige Maß“ zu finden.“

„Der Mensch als Maß aller Dinge – Innerhalb seiner Möglichkeiten das richtige Maß finden“. Da in dem Abschnitt „Positive Absicht der Bewegung“, innerhalb des Artikels „verkörperte Ökologie“, ein Verweis auf einen Körperverlust innerhalb unserer Gesellschaft vorliegt, ist dieses Maß anscheinend, nach einem spezifischen Empfinden, nicht eingehalten. Der Mensch hat allen Grund sich interdisziplinär zu bewegen; bestenfalls in einem facettenreich-ausgeprägten, gesunden Körper.

Camus fordert dazu etwas ein, das Nietzsche vielleicht fehlte: „Ohne im Daseinskampf gewonnene Werte ergibt die Revolte keinen Sinn. Aber diese Werte müssen sich auf das richten, was wirklich existiert: auf die Menschen selbst. Was der Mensch braucht, ist menschliche Wärme.“

Mit der Auseinadersetzung von Bewegungen erhalten diese über die Zeit Wertigkeiten, wobei dies ein Interesse für ihre Ausführung in bestimmten Momenten beschreibt.

Grund für die Beschäftigung mit der vorliegenden Thematik ist an eine positive Absicht gebunden. Dies soll einen Konsens für die Investition von Raum und Zeit mit der vorliegenden Thematik darstellen und deren Zweifel.

„Der Ursprung jeglicher Kunst ist in der Beziehung des Menschen zur Natur und deren Phänomenen zu sehen. Das Erfinden unserer eigenen Formenwelt, unserer eigenen Schöpfung, bringt uns einer Freiheit näher, die dem „göttlichen Prinzip′′ ähnelt. Dabei sind wir zugleich Spiegel und Erfinder im Gleichnis der Einheit von Natur und Geist. Hierbei hat das Prinzip des Kontrasts bzw. der Übereinstimmung wichtige Bedeutung, besonders wenn es um den Zusammenklang des Gegenstandes mit seiner unmittelbaren Umgebung geht.“

Gefaltete Stelen, Hans-Joachim Härtel
http://www.umweltbundesamt.de/gefaltete-stelen-hans-joachim-haertel

Am Anfang meines Studiums an der Hochschule für bildende Künste stellte ich fest, dass ich von dem Kunstbegriff, welcher an dieser Institution gelehrt wird, wenig Ahnung habe und dieser Bedeutung aufzeigt. Mein eigenes Verständnis von Kunst, seiner Begrifflichkeit und Definition war von meinem Umfeld, meinen Eltern, meinen Freunden geprägt. Ich kam zur Einsicht, dass ich meine Definition vom Kunstbegriff erweitern muss; um mehr Verknüpfungen herzustellen und um mich zu öffnen. Dabei spielte immer folgende Frage eine Rolle:

“Wie kann ich den an der Institution-gelehrten-Kunstbegriff und den durch mein Natürlich-aufgewachsenes-Umfeld-Kunstbegriff in Einklang bringen mit meinen Wert und Normvorstellungen?”

Des Weiteren wurde mir bewusst, dass ich eine Freiheit habe, mich mit jeder möglichen Thematik künstlerisch auseinanderzusetzen. Dies ließ folgende Frage entstehen:

“Was will ich überhaupt in dieser ganzen Reichhaltigkeit – Misere? Natürlich, Ich bin jung, naiv und will die Welt verbessern!”

Es geht darum “die innere Reaktion auf den Zustand der Welt zu erkunden und die Bereitschaft zu stärken, zu ihrer Gesundung beizutragen. Dabei gibt man sich gleichermaßen Raum für den Schmerz, den wir in Hinblick auf das Unrecht dieser Welt als mitfühlendens Wesen empfinden, wie für die große Dankbarkeit, die wir für das Leben entwickeln.”

Florian Betz; Angewandte Tiefenökologie http://marimbaklaenge.de/tiefenoekologie

Zu dieser positiven Absicht kann ich viele Parallelen finden, wobei ich einen Bezug zur verkörperten (somatischen) Ökologie und Tiefenökologie nehmen will und auf einen Artikel verweise:

Somatische Ökologie; Betram Wohak; Verfasst am 30. September 2015

http://www.bodyways.de/koerpertherapie/163-somatische-oekologie.html

“Ausgelöst durch die menschengemachte globale Klimaveränderung ist die Menschheit dabei, sich und ihr Handeln in einem umfassenderen Naturzusammenhang zu begreifen und es ist höchste Zeit dafür. Was jedoch erst allmählich im öffentlichen Bewusstsein auftaucht, ist die Notwendigkeit, das Verhältnis zu unserem Körper als der Natur, die wir sind ebenfalls grundlegend zu verändern. „Der entfremdete Umgang mit unseren Körper entspricht unserem gestören Verhältnis zur äußeren ”Natur“. Wer Augen und Sinne öffnet, dem kann es nicht mehr verborgen bleiben: Wir leben in einer Kultur des Körperverlustes, die sich hinter einem enormen Körperkult verbirgt. Unser Körper ist etwas, das wir besitzen, nutzen, missachten oder auf Höchstleistung trimmen wie eine Maschine. Wir haben einen Körper statt verkörpert zu sein. Wir sind nicht mehr zu Hause in unserem Leib. Durch unsere Lebens- und Arbeitsweisen und nicht zuletzt durch die technologische Entwicklung und unsere wenig bewusste Art davon Gebrauch zu machen verlieren wir immer mehr den Kontakt zu unseren Sinnen und das Gefühl für unser Verkörpertsein. Unser Körper hat zu funktionieren, und wenn er das nicht mehr tut, dann lassen wir ihn durch „Experten“ reparieren. Leistet er nicht mehr was wir uns wünschen, dann gibt es einen Supermarkt pharmazeutischer Präparate. Gefällt er uns nicht mehr, dann gibt es die plastische Chirurgie, Bodydesign oder die Botoxspritze. Die Sprache unseres Körpers verstehen wir nicht, er muss mit Schmerzen schreien, um unsere Schwerhörigkeit zu durchdringen, nur um schnellstmöglich mit Schmerzmitteln wieder zum Schweigen gebracht zu werden. So machen wir unseren Körper zum „Bruder Esel“ (Franz von Assisi), auf dem unser Ego mit seinen Fantasien von Leistung und ewiger Jugend reitet.

Dieser Zustand von Beziehungslosigkeit und Entfremdung zu unserem Körper liegt den meisten langwierigen und chronischen Beschwerden in unserer Zeit zu Grunde, verstärkt und verlängert sie. Er erzeugt ein unvorstellbares Ausmaß an gesellschaftlichen Kosten, persönlichem Leiden und Verlust von Lebensqualität und beraubt uns unserer Würde als verkörperte Wesen. Um wirklich lebendig zu werden ist es notwendig, unsere Sinne wieder zu reinigen und aufzuwecken und uns möglichst intensiv zu verbinden mit diesem unergründlichen, wunderbaren, schmerzerzeugenden, lustspendenden, alternden und mit Sicherheit sterblichen zeitweiligen Zuhause, das wir unseren Körper nennen. Dann könnte unser Körper uns etwas lehren, das weit über das Körperliche hinausgeht. Die Industriegesellschaften brauchen eine Entiwcklung in Richtung “Somatische Ökologie”.

Jeder Mensch, der sich wieder mehr verkörpert, trägt unmittelbar zu seinem eigenen Lebensglück bei und verändert gleichzeitig die gesellschaftlichen Verhältnisse. Unsere Gesellschaft braucht viele Menschen, die an dieser Selbstveränderung teilnehmen, hier ist es aber viel einfacher möglich, weil es jeder auch für sich machen kann und sich selbst dadurch direkt belohnt, ohne auf anonyme politische Prozesse warten zu müssen. Wenn ich auf mein Auto verzichte, hat das für mein persönliches Wohlbefinden und das Klima nicht dieselbe unmittelbare Wirkung wie ein verbesserter Leibbezug auf meine Gesundheit und meine Lebensqualität. Nimmt Körperbewusstheit in unserer Gesellschaft zu und erreicht sie einen Schwellenwert, sozusagen eine kritische Masse, dann verändert sie implizit auch die Strukturen nicht nur im Gesundheitssystem, sondern ebenso in den Bereichen Arbeit, Freizeit, Verkehr und wahrscheinlich noch in vielen weiteren. Umweltbewusstsein hat etwa dreißig Jahre und eine Reihe schwerer Krisen benötigt, um aus einer Nischenexistenz herauszukommen, alle Lebensbereiche zu beeinflussen, in fast allen Staaten der Welt die Ministerebene zu erreichen und zu einem zentralen Thema der Weltpolitik zu werden. Eine ähnliche Aufmerksamkeit verdient der Umgang mit unserem Körper als der Natur die wir sind.“

Dieser Artikel mit seinem Inhalt bringt mein Motiv, sich mit der Thematik ‚Eigenleben Bewegung‘ auseinanderzusetzen, gut auf den Punkt. Der Ansatz beschreibt bei sich selbst in Bewegung anzufangen; seine Gewohnheiten der Bewegung zu hinterfragen. Diese Absicht der Bewegung kann das Übertreffen körperlicher Höchstleistung, die Annäherung körperlicher Grenzen, die Stigmatisierungen innerhalb Gesellschaften, die Hinterfragung alltäglicher Handlungen, Gesten, Mimiken und Kommunikationsweisen beschreiben. Durch die Ausführung von abweichenden Bewegungen individueller oder gesellschaftlicher Norm, können diese sich durch Wiederholung und Kontextualisierung verinnerlichen lassen und nach einer gewissen Zeit Antworten hervorbringen.

Der Mensch hat allen Grund sich vielseitig körperlich zu erfahren und mit diesem Körperbefinden sich interdisziplinär Auszurichten.

Ich kann leben oder sterben.
Ich kann aufnehmen und ausscheiden.
Ich kann geben und nehmen.
Ich kann begehren und begehrt werden.
Ich kann mich vermehren oder es sein lassen.

Aller Aufwand seines Selbst läuft, wie bei allen Formen, auf einen Sinn eines Lebens hinaus, den jede Form anders auslegt.

Was ist eine sinnstiftende Bewegung?

Ich möchte mich bewegen.
Ich möchte mich mit anderen Menschen und Lebewesen bewegen.
Ich 
möchte mich flexibel und facettenreich bewegen.
Ich möchte Wissen und Austausch.
Ich bin geöffnet.

Hier erläutere ich meinen Zusammenhang zwischen einem Sinn und einer Bewegung. Ich hatte einen Moment, der mir einen Sinn zeigt, mich zu bewegen.

Wo ordne ich mich mit meinem Körper als bewegtes Lebewesen ein im Leben und in meinem Geist? Wie positioniere ich mich gegenüber anderer Formen?

„Die Urangst des Menschen ist die Isolation; keine sozialen Kontakte zu haben. Höchstes Ziel menschlichen Bestrebens ist es Verbindungen einzugehen, eine Einheit zu sein mit allem was uns umgibt (Zustand der Transzendenz).“ | Die Kunst des Liebens; Erich Fromm

Der Mensch ist bestrebt seinen Körper zu verlassen, welcher ihn in seinem Machen und Tun einschränkt. Die Redewendung „Komm mal mehr aus dir heraus.“ verbildlicht dies gut. Als Lebewesen in Bewegung in Form von (Nicht-)Denken, Sprechen, Schreiben, Musizieren und Kreieren jeglicher Form kann dies ein Bewusstsein des Aus-sich-heraus-Treten aus dem Körper-Leib hervorrufen; eine erfahrbare Sensibilität für “nicht-körperliches” Leben.

Dies kann eine Intensivierung eines transzendentalen Zustandes durch sich selbst im Sinne von Einklang, Wohlgefallen und Einsicht sein. Dabei kann man seinen Körper anders sehen, hören, fühlen, schmecken, riechen und denken. Dieses transzendentale Schaffen sieht in sich die Aufgabe, einen gewissen Sinn zu entwickeln.

Ich glaube selbstverständlich an die transzendentale Manifestation der reinen Bewegung meines Körpers. Dies bedeutet geteilte Verantwortung und geteilte Kontrolle.

Die physische Körperbewegung ist von Anfang an vorhanden und als wahrnehmbare Peripherie in Form eines Hautorgans und all deren Innereien wahrnehmbar, welche unseren Körper formt und alles beisammen hält. Somit kann unser Körper in der Welt Formen annehmen und sich verformen. Die physische und raumfüllende Bewegung ist die physikalisch größere Bewegung und ist somit ein Grund, sich mit Ihr auseinanderzusetzen.

„Der beste Grund sich zu bewegen ist, weil du es kannst.“ | Ido Portal

Theoretisch trifft man auf Überlegungen und Ansätze, den Körper als Ausdrucksmittel größtmöglicher physisch-ausführender Bewegungen zu sehen mit einem engen Wohlbefinden zwischen Körper und Geist. Praktisch bedeutet das, sich als Individuum vielseitig und intersubjektivierend bewegend zu erfahren um einen (gemeinsamen) Spielraum zu kreieren. Seine einzelnen Körperteile durch Bewegung und Expansion zu öffnen, um einen weitreichenden Ausprägungsgrad an Körperpositionen im Raum zu erkunden.

“In Körperbewegungen wird ein menschliches Selbstverständnis ästhetisch repräsentiert und vermittelt. Dies hat zur Folge, dass der Mensch als Interpret und Gestalter in seiner Welt auftritt.”

Kulturen haben ihre eigenen Sprachen. Es gibt zahlreiche Bewegungsmöglichkeiten, welche es noch nicht gibt, welche entstehen, welche vorhanden sind, ausgeübt werden und in Vergessenheit geraten. Der Mensch als Individuum verhält sich zu gewissen Kulturen aktiv, zu anderen weniger oder gar nicht.

In diesem Abschnitt möchte ich auf die Bewegungskultur der HipHop-Szene näher eingehen, bestimmte Bereiche in ihrem Erscheinen formulieren und diese mit weiteren bewegenden Kulturen vergleichen. Hierzu werde ich meine persönliche Entwicklung, Wahrnehmung und Gefühle beitragen.

Tanz (in der HipHop-Szene) ist nicht nur ein Sport. Es hat eine sportliche Komponente, aber nach Titus Dittmann in Bezug auf die Skateboard-Kultur ist es eine “bewegungsorientierte Jugend-Kultur”. “Das Problem beim Sport ist das “höher, schneller und weiter”. Wenn das in de Vordergrund steht, gibt es immer nur einen, der sich richtig gut vorwärts bewegt; das ist der Gewinner. Beim Skaten (Tanz) wird der Mensch nach seinem Charisma, seiner Bissigkeit und seinem Bewegungsrepertoire beurteilt, wodurch er/ sie Anerkennung findet. Aus diesem Grund kann jeder der Gewinner sein und entwickelt sich besser.”

Titus Dittmann
https://www.youtube.com/watch?v=aX03uYPxeiI

Breakdance

Breakdance beschreibt eine Bewegungskultur, in der komplexe akrobatische Bewegungen mit einfacheren Schrittfolgen kombiniert werden. Im Vordergrund steht es mit der Schwerkraft zu spielen, wobei man sich seinem Körper Zentrifugalkräften aussetzt, Positionen kopfüber im Raum sucht und in einen Kontrast seines Körpers in Distanz zum Boden findet. Die Bewegungen sind groß und raumfüllend. Sie haben eine Dynamik, welche durch abrupte Stops (Freezes) betont werden, was die Musik (Breakbeats) vorgeben. Es fällt fast der Anschein, als wolle der Tänzer vom Boden abheben und einen Moment des Fliegens auskosten.

Eine besondere Art von vorkommenden Bewegungen sind die sogenannten “Freezes”. Hierbei sucht sich der Tänzer eine möglichst unvorstellbar, haltbare Position seines Körpers im Raum ein und probiert diese möglichst lange zu halten. Im Kontext des Begriffs der “physischen Aktivität” (siehe: Definition “Bewegung”) treffen hier Spontanaktivität und fakultative Aktivität im Körper zusammen, da die Körperhaltung eines Freezes mit seinem Willen vollzogen wird und zur Aufrechterhaltung der Körperhaltung dient. Die eingenommene Position des “Freezes” soll in erster Linie spektakulär/ unwahrscheinlich aussehen und Eindruck hinterlassen, welches den Körper in seiner Ästhetik repräsentiert.

Interessant wird es, wenn man die Kontaktflächen von Körper zu Boden näher betrachtet (auf den ich im folgenden Abschnitt näher eingehe “Beziehung Mensch – Boden”), welche sehr komplex sein können. Der Tänzer probiert jegliche Körperpositionen zu finden, in der verschiedene Körperteile in Kontakt zum Boden kommen. Es ist ein Suchen und Finden von Bewegungsmöglichkeiten in senkrechter, waagerechter Körperhaltung des möglichst Unmöglichen.

In der HipHop-Szene haben sich über die Jahre unterschiedliche Tanzstile etabliert: Breakdance, HipHop, Newstyle, Tutting, Popping, Locking, Bogalo und Wave. Wie in jeder Tanzart spielt die Musik eine große Rolle, welche eine Vorgabe ist und somit einen Rahmen bietet, sich auszudrücken und sich zu bewegen. Da in dieser Szene oft Meisterschaften und Battles in der Absicht eines Tänzers stehen können, kann das Ziel eines Individuums sein, sein eigenes Bewegungsrepertoire zu finden und dieses mit seinem Charakter zu präsentieren. Hierbei sucht das Individuum nach Bewegungsmöglichkeiten, welche sein Körper hervorzubringen vermag. Jedes Individuum erinnert sich an ein ganz spezifisches, erarbeitetes Bewegungsmaterial.

”Jedes Individuum besteht aus seiner Fülle von Bewegungsmaterial, welches es sich während seiner Bewegungssuchung und –findung erarbeitet und schließlich merkt.”

Bewegung erinnern, S. 54

Tänzer:innen erarbeiten sich über Jahre motorische Informationen unter eigener Anleitung und von seinen Mitmenschen, auf die er:sie zurückgreifen kann.

“Der Prozess der Aneignung von Bewegungswissen erfolgt dabei schrittweise. In der Arbeit an seinem Bewegungsrepertoire werden anfangs einzelne Bewegungen probiert und wiederholt. Nach und nach fügen sich Bewegungen zu Bewegungsphrasen und im weiteren Verlauf Bewegungsphrasen zu längeren Bewegungsabläufen zusammen.”

| Bewegung erinnern, S. 55

Das Training besteht aus wechselnden Übungen, an die man sich zu erinnern vermag oder die durch einen Impuls kommen (Eines Mitmenschen).

Die Tänzer:innen entwickeln ein “klar strukturiertes Bewegungsgedächtnis, auf dem dem dann schließlich die Bewegungsausführung beruht.”

Bewegung erinnern, S. 59

Battle

Die Erfahrbarkeit eines Tanzbattle der urbanen HipHop-Szene können Momente sein, in denen zwei Menschen sich gegenübertretend bewegen. In diesem Fall bewegen sie sich abwechselnd, wobei der Fokus in erster Linie auf den Bewegenden gerichtet ist. Er:Sie präsentiert sich in diesem Moment in seinen Möglichkeiten des Ausdrucks und dem Bewegungsrepertoire.

Diese zwei Menschen sind im Fokus von Mitmenschen, welche sich an diesem Ort versammelt haben. Die zwei sich gegenübertretenden Menschen werden von ihren Mitmenschen bewertet und klassifiziert von der Art und Weise wie sie sich zueinander in der Räumlichkeit bewegen und kommunizieren. Die Bewegung beschreibt wer der Bessere ist.

Die Räumlichkeit in einem Battle ist meistens von Menschen begrenzt, welche sich kreisförmig versammelt haben und somit die eine Art “durchlässige Wand” definieren. Der Boden ist waagerecht und hat eine Textur, um sich angenehm darauf zu bewegen.

Ein Battle beschreibt eine Situation in der ein Individuum für einen bestimmten Zeitraum alles machen kann, was innerhalb des Raumes möglich ist. Ein Battle ist ein Erscheinung, was innerhalb der ”Tanz-Szene” mit einem Kontext beladen ist. Ein Tanzbattle ist die Entwicklung von einer möglicherweise physisch gewalttätigen (berührten) Auseinandersetzung hin zu einer friedvolleren Auseinandersetzung mit dem selben Ergebnis. Derjenige, der gewinnt, hat sich behauptet und kann mehr Respekt bekommen.

Durch Missverständnisse und Misswahrnehmung der Bewegung kann dies zu Umständen führen, in der die Momente und der Kontext zu komplex sind und mit der Bewegung nicht die erwünschten Erwartungen erfüllt werden. Ein Tanzbattle ist so konzipiert, dass es nach einem gewissen Zeitraum einen Gewinner (einen Besser-bewegten) gibt, auch wenn die Situation vielleicht zu komplex gestaltet ist, um sie überhaupt als Mensch bewerten zu können (eine Folge von Meinungsunterscheidungen).

Einige Kriterien zur Bewertung der Bewegungen des Subjektes eines Tanzbattles:

  • Flow (sich der Musik hingeben, die Musik fühlen, sich hinter der Musik verstecken)
  • Präsenz
  • Kreativität (Eigenleben der Bewegung)
  • Prinzip des Sich-Überordnen
  • Unberechenbarkeit
  • Körperliche Stärke
  • Geistliche Geschicklichkeit
  • (Erwartungen brechen) à welcher Kontext
  • (Grenzen auflösen) à welcher Kontext

Bewegungsorientierte Mischformen

Im Zuge der Entwicklung der Gesellschaft, der globalen Vernetzung und den neuen Medien haben sich innerhalb und außerhalb des Tanzstils Mischformen entwickelt, in denen bewegungsorientierte Kulturen wie Yoga, Contortion, Artistik, Vogueing, Tutting, Popping, Locking, Contemporary und theatralische Elemente ihre Grundlagen beigeführt wurden.

Das Genie

Diese beschriebene Entwicklung kann die Tendenz bekommen, dass die Kreation von Bewegungen erzwungen wird durch einen Druck der Voranschreitung und dem Prinzip des Überlebens. Dabei steht nicht mehr der Genuss der Bewegung in dem Vordergrund und sie verliert die Natürlichkeit.

We are style-innovators.
We create new moves.
We try to combine different movement-cultures.
We try to be individual.
We are style-innovators.

Das kann ein Gefühl von Ohnmacht, Beschränkung und Einengung hervorrufen.

In jedem Moment steht man als Mensch in Beziehung zum Boden im Raum. Wir können den Boden als eine Konstante auffassen; in dem Sinne, dass die Schwerkräfte über die wahrnehmbare Zeit die gleichen bleiben. Der Boden kann unterschiedliche Texturen und Unebenheiten aufweisen, welches Auswirkung auf die ihm in Kontakt stehenden Formen haben.

Ich will von einem waagerechten Boden ausgehen, welcher eine gleichmäßige Textur hat und auf dem man sich gut bewegen kann. Ein solcher Boden ist eine gute Voraussetzung für die Bewegungsschöpfung. Die Kontaktstelle (Berührungsstelle) zwischen ihm und dem Menschen ist diese, mit welchen Körperteilen man den Boden berührt. Sie beschreibt eine Distanz, welche Körperteile näher und weiter vom Boden entfernt sind. Bei diesem Akt der Beziehung ist ein ständiges Auswerten von seinen Körperteilen in Relation zueinander wichtig, damit der Mensch aufrecht oder bedingungslos in seinen Körperhaltungen balancieren kann.

Der Mensch hat viele Möglichkeiten sich dem Boden zu nähern oder zu distanzieren. Hierbei ist es interessant, den Körper mit dem Fokus auf den möglichen Kontaktflächen von seinen Körperteilen zum Boden zu erkunden. Viele Körperhaltungen mit spezifischen Berührungsstellen sind unvorstellbar haltbar in der Zeit. Diese Kontaktstelle lässt Körper unterschiedlich Formen und balancieren, wenn wir versuchen eine Perspektive aus dem Eigenleben der Bewegung einzunehmen.

Begriffe sind Sprache. Der Körper spricht. Die Körpersprache ist von großer Bedeutung für die verbale Kommunikation. Die “Sapir-Whorf-Hypothese” beschreibt eine Theorie, dass sobald man in eine neue Sprache eintaucht, sich das Gehirn neu vernetzt. Sie prägt das Denken und bestimmt unser Weltbild.

Diesen Abschnitt widme ich Überlegungen, inwiefern ich Analogien und Assoziationen an dem Begriff der “Bewegung” verschieben, erweitern, auflösen und wieder strukturiert zusammenfügen kann, so dass die Bedeutung und Wirkung eine andere wird.

Begriffe und Bewegungen bekommen einen Wert zugeschrieben, den jedes Individuum anders festlegt und beschreibt. Wie definiert, assoziiert und analogiert jeder Einzelne den Begriff “Bewegung”? Was sind die Vorstellungen?

Der Begriff “Bewegung” hat einen allgemeinen Stellenwert in unserem Weltbild. Er könnte eine stärkere Kontextualisierung und einen zielgerichteteren Sinn aufweisen. Das Potential der Bewegung ist vorhanden, es muss nur genutzt werden.

Jeder Mensch lernt den Begriff der “Bewegung”. Dieser Begriff und seine Wirkung ist so allgegenwärtig, dass er in seinem Erscheinen für selbstverständlich genommen wird. Nach dem Erkennen eines “Ichs” und des “Seins” ist die Bewegung eine Begrifflichkeit von viel Bedeutung, um sich als Individuum zu definieren, zu orientieren und zu positionieren in Raum und Zeit.

Mir geht es hier um Fragestellungen, was die “Bewegung” für den Einzelnen bedeutet, was er sich darunter vorstellt, was für einen Stellenwert sie innerhalb seines Körpers und der “äußerlichen” Formen einnimmt, woher ich sie ableite und weitestgehend, was für einen Zugang zur Spiritualität ich durch sie bekomme. Der Begriff der Bewegung könnte wie ein Motiv dienen, aus dem eine Handlung entsteht und zu dem man Körperbezug hat.

Der Begriff „Bewegung“ ist aus komplexen und abstrakten Vorstellungen aufgebaut und man kann großen Bezug zu seinem Körper herstellen; eine Ich-Bezüglichkeit zu seinem:ihrem Umfeld, dem Sein und der Bewegung.

Bewegung unser

Bewegung unser im Kosmos,
Bewusst werde dein Sein.
Dein Impuls komme, deine Resonanz geschehe.
Wie im Kosmos, so auf Erden.
Unsere tägliche Veränderung, zeige uns Möglichkeiten und vermeide unser Unvermögen.
Wie auch wir vergeben unserem Stillstand.
Führe uns zusammen
Und zeige uns Distanzen
Denn dein ist das Sein und die Neugierde
In Vollkommenheit und Endlichkeit.
Tötörötö

In diesem Abschnitt möchte ich thematisieren, ob es möglich ist, eine Zeichentheorie anhand von Bewegungsmöglichkeiten und bedingungslosen Körperhaltungen ohne Bedeutung zu finden.

In dem vorherigen Fragment „Absurdität der Bewegung” habe ich festgehalten, dass das Absurde unendlich ist und somit seine Darstellungspraktiken. Etwas Absurdes wird noch abstrakter und schwieriger zu fassen sein. Die Frage, wann eine Bewegung und Handlung absurd ist, kommt auf den Kontext an.

Die Kreation von Bewegungsmöglichkeiten als Darstellung von Zeichen und Kommunikation, welche keine Bedeutungen überliefern und somit etwas Absurdes sind, ist nahezu unmöglich, da die Bewegung in Form eines Körpers an ein menschliches Subjekt gebunden ist, welches bereits mit Bedeutung beladen ist. Jeder Mensch trägt eine individuelle aufrechte Körperhaltung; seine eigene Anatomie, welche einen Eindruck hinterlässt und Merkmale festhält.

Dies kann ein Verweis darauf sein, dass Bewegung stattfindet; ein unkontrollierbares Eigenleben der Bewegung, welches formt und formen lässt.

Trotzdem ist es interessant, sich mit einer möglichst weit-entferntesten Bedeutung auseinander zusetzen, welche sich an einem Zeichen keiner Bedeutung orientiert. Hierbei will ich von der physischen Bewegung ausgehen im Kontext der Bewegungsfindung.

Eine Bewegung hat einen Ausdruck, eine Wertigkeit und eine Symbolik; sie hat Bedeutung. Bedeutung hängt bei der Bewegungsfindung von Assoziationen, Analogien und dem Kontext ab. Eine Bewegung, welche durch das Zusammenwürfeln verschiedener Kategorien entsteht, kann (!) komplexer sein und wird in ihrer Bedeutung abstrakter. Der Grad der Bedeutung erlangt eine Distanz zum menschlichen Verständnis und ist schwieriger zu greifen. Sie wird absurder.

Im Folgenden probiere ich Bewegungsmöglichkeiten und bedingungslose Körperhaltungen zu benennen, in Bezug auf ihrer Bedeutung, welche möglichst absurd erscheinen.
Kategorien von Bewegungsmöglichkeiten mit einer distanzierten Bedeutung (ohne eine Bedeutung):

  1. Minimalistische Bewegungsmöglichkeiten/ Körperhaltungen

  2. Relativierende Bewegungsmöglichkeiten/ Körperhaltungen

  3. Rationale Bewegungsmöglichkeiten/ Körperhaltungen

  4. Fantasielose Bewegungsmöglichkeiten/ Körperhaltungen

  5. Kausale Bewegungsmöglichkeiten/ Körperhaltungen

  6. Destruktive Bewegungsmöglichkeiten/ Körperhaltungen

Bei Regungen gerne Kontakt aufnehmen

„Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Programm
NEUSTART KULTUR, Hilfsprogramm DIS-TANZEN des Dachverband Tanz Deutschland.“